Der letzte Mann, der alles wusste – Bücher des Universalgelehrten Athanasius Kircher bei Reiss & Sohn

Vor mehr als 400 Jahren, am 2. Mai 1602, wurde der große Gelehrte Athanasius Kircher in Geisa, einer Kleinstadt in der Rhön nahe Fulda, geboren. Kircher trat 1618 in den Jesuitenorden ein und wurde 1629 Professor in Würzburg. 1633 als Hofmathematiker Kaiser Ferdinands II. nach Wien berufen, ging er noch im gleichen Jahr als Professor für Mathematik, Physik und orientalische Sprachen nach Rom, wo er bis zu seinem Tode lehrte und forschte.In seinem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich langen Leben – er wurde 78 Jahre alt – verfasste er eine Fülle von umfangreichen Folianten. Er schrieb über Ägyptologie und Orientalistik, Geologie und Mineralogie, Magnetismus, Mathematik und Astronomie, Medizin, Musik und vieles mehr, aber auch über wundertätige Kreuze, das Leben des Heiligen Eustachius, die Arche Noah und den Turmbau von Babel. Zu Lebzeiten verehrt und bewundert, wurde er schon kurz nach seinem Tode als Scharlatan beschimpft und geriet in Vergessenheit. Erst im späten 20. Jahrhundert wurde er wiederentdeckt; seine Schriften, die unter dem Motto „In uno omnia“ (In Einem alles) standen, nahmen in vielem die Gedankenwelt der Postmoderne vorweg. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Umberto Eco ihm in seinem Roman „Die Insel des vorigen Tages“ (1994, dt. 1995) als Jesuitenpater „Caspar Wanderdrossel“ ein literarisches Denkmal setzte. Von der amerikanischen Wissenschaftlerin Paula Findlen wird er gar als „The Last Man Who Knew Everything“ bezeichnet – „Der letzte Mann, der alles wusste“.

Gleich 25 wertvolle und bedeutende Werke Kirchers, überwiegend Erstausgaben, kommen jetzt beim Auktionshaus Reiss & Sohn unter den Hammer. Sie stammen aus einer europäischen Privatsammlung und werden in einer Sonderauktion von „100 ausgewählten Büchern“ am Abend des 23. April in Königstein versteigert. Kirchers „Magnes sive de arte magnetica“, 1641 in Rom gedruckt, enthält sämtliche Kenntnisse seiner Zeit vom Magnetismus, Erdmagnetismus und von der Elektrizität und diente ihrer Verbreitung und Vereinheitlichung (Schätzpreis 4.500 Euro). Sein Hauptwerk zur Musiktheorie ist die 1650 in Rom erschienene zweibändige „Musurgia universalis“, die für 6.000 Euro angeboten wird. In den Jahren 1652-55 erschien in Rom der monumentale „Oedipus Aegyptiacus“, in dem der Universalgelehrte das zeitgenössische Wissen über Kabbalistik, orientalische Mysterien, Geheimwissenschaften, Heilkünste und vieles mehr vereint. Das vierbändige Werk, in zeitgenössische Ledereinbände mit reicher Vergoldung gebunden, ist im Katalog mit einem Schätzpreis von 12.000 Euro verzeichnet. 1656 veröffentlichte Kircher eine fiktive Reise („Iter extaticum“) durch das Weltall, in der er den Leser zum Mond, zu den Planeten und den Sternen führt; ein Jahr später erschien ein weiteres Werk, in dem er eine Reise in die unterirdische Welt und ihre Wunder beschreibt. Für einen Sammelband mit beiden Werken werden 4.500 Euro erwartet.

Während der großen Epidemie von 1656 gelang es Kircher mit Hilfe eines Mikroskops als erstem, die Pest als ansteckende, durch Mikroorganismen übertragene Krankheit zu erkennen. Er veröffentlichte seine Studien zwei Jahre später in Rom – ein Meilenstein in der Medizingeschichte (6.000). 1656 erschien in Amsterdam der „Mundus subterraneus“, eines von Kirchers bedeutendsten Werken, das sämtliche Bereiche der Naturwissenschaft behandelt, besonders Bergbau, Geologie, Metallurgie, Mineralogie und Vulkanismus (8.000). In seiner „Ars magna sciendi“ (Amsterdam 1669) versuchte Kircher dann sämtliche Wissenschaftszweige einem Universalgesetz unterzuordnen (4.000). In seinem berühmten Werk über China (Amsterdam 1667, hier in einem im gleichen Jahr erschienenen Nachdruck) publizierte er erstmals im Westen ein chinesisches Wörterbuch und eine Grammatik des Sanskrit (3.500). Der Nürnberger Patrizier Carl Wilhelm Welser ließ gleich drei Werke von Kircher in einem Band vereinen und mit seinem Wappen schmücken: „Latium“ von 1671, ein historisch-geographischer Führer der weiteren Umgebung Roms, die 1678 gedruckte Beschreibung des berühmtem „Museum Kircherianum“ und „Sphinx mystagoga“, eine Untersuchung zur Mumienbergung und zur Entschlüsselung hieroglyphischer Inschriften aus dem Jahr 1676 (12.000). Ein weiterer Sammelband enthält seine 1675 und 1679 in Amsterdam gedruckten Arbeiten über die Arche Noah und den Turmbau zu Babel, beide sind mit zahlreichen wissenschaftlichen Exkursen versehen und mit prachtvollen, oft aber auch amüsanten und kuriosen Kupfern geschmückt (8.000).

Kirchers Schaffen vereint visionäre Gedanken und exakte Wissenschaft, seine Entdeckungen und Erfindungen wirken bis in die Gegenwart. Die reich illustrierten Werke aus seiner Feder sind wahre Schatzkammern des Wissens seiner Zeit und gleichzeitig Meisterwerke der Buchkunst.

Zur Sonderauktion erscheint ein durchgehend farbig illustrierter Katalog.

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