Los 121 *#
Stiehl, Fahrt nach Konstantinopel 1917. Heft und Fotoalbum
verkauft



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Auktionsablauf:
26.10.2021 / Los 101-196 / Sitzungsbeginn 10.30 Uhr
"Vom Halbmondlager in Wünsdorf nach Konstantinopel"
Konstantinopel. - Stiehl, O. Fahrt nach Konstantinopel 1917. Deutsche Handschrift auf Papier. 1917. (20:12,5 cm). Mit 1 ganzs. farbigen Kartenskizze u. zahlr. kleinen Architekturskizzen in Tinte. 1 Bl., 93 S. (wenige S. weiß). Wachstuchumschlag, berieben, Rücken eingerissen. - Dazu: Album mit 175 (ca. 140 privaten) Fotografien u. 19 Lichtdrucken u.ä. auf 34 Kartonbll. 1917. (25,5:18 cm). Verschiedene Bildgr. Hlwd. d. Zt. mit Rückentitel "Konstantinopel 1917".
Der Architekt Otto Stiehl (1860-1949), seit 1905 Professor an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg, war während des Ersten Weltkriegs als Offizier im "Halbmondlager" bei Wünsdorf tätig, in dem muslimische Kriegsgefangene aus der französischen, britischen und russischen Armee gesammelt wurden, um sie nach Möglichkeit zum Kampf gegen ihre Kolonialherren zu bewegen; sie wurden besser behandelt als andere Kriegsgefangene, 1915 wurde für sie auch eine Moschee gebaut. Den Zweck der Fahrt nach Konstantinopel fasst Stiehl auf der Versoseite des Titels seines Reisetagebuchs zusammen: "Ueberführung von mohamedanischen Kriegsfreiwilligen vom Halbmondlager in Wünsdorf nach Konstantinopel". Ein erster solcher Transport, mit 1800 Freiwilligen, in das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich hatte im Frühjahr 1916 stattgefunden. Der von Stiehl begleitete umfasste "1 Offizier, 109 'Araber' d.h. Algierier und Tunesier aller Hautschattierungen und 4 Inder, dazu als Begleitmannschaften 1 Rechnungsführer, 1 Sanitäter, 1 U.O. mit 9 Mann". Die Hinreise durch das verbündete Bulgarien, für die Stiehl auf S. 87/88 alle Aufenthalte minutengenau notierte, dauerte vom 4. bis zum 17. April, die Rückfahrt trat Stiehl am 30. April an. Besonders interessant sind die Notizen zu Gesprächen, die Stiehl mit anderen deutschen Offizieren in Konstantinopel geführt hat, so notierte er gleich am 17. April: "Am Abendtisch erhalte ich meinen Platz bei einer Gesellschaft v. Herren die gerade von den verschiedenen Fronten zurückgekommen sind. Meine Antwort auf die Frage, was mich herführt, löst ringsum die Anschauung aus: 'Die armen Leute, die verkommen ja hier wie so viele andere'. Alle sind eines Sinnes, das mit den Türken nichts anzufangen ist." Auch die Massaker an den Armeniern werden am selben Abend zum Thema: "Schauderhaft haben die Türken unter den Armeniern gehaust, in ganzen Städten nur vielleicht den Schneider und Schuster des Wali geschont (...)". Den Aufenthalt in Konstantinopel, überhaupt die ganze Reise, hat Stiehl auch zu Beobachtungen der örtlichen Architektur genutzt, davon zeugen sowohl die zahlreichen Skizzen im Tagebuch wie auch ein Teil der Fotografien. Die Fotografien sind zum Teil offensichtlich von Stiehl aufgenommen worden (diese meist nur 4:5,5 cm), andere sind gekauft, auch Postkarten mit Originalfotografien haben wir hinzugerechnet, diese sind zum Teil gelaufen und an Stiehls Frau Anna in Berlin-Steglitz gerichtet (geschrieben in Stenographie). Neben Architektureindrücken ist auch ein Interesse an Straßenszenen und "Typen" feststellbar. Stiehl hatte sich an der Kriegspropaganda mit dem Fotobuch "Unsere Feinde. 96 Charakterköpfe aus deutschen Kriegsgefangenenlagern" (Stuttgart (1916) beteiligt, für das er neben europäischen auch nichteuropäische Gefangene porträtierte. - Die Kartonbll. des Albums etwas wasserrandig; die Fotografien tlw. etwas ausgesilbert.
Interesting diary of a mission to Constantinople. Otto Stiehl (1860-1949), a German architect and professor, was posted as an officer in the "Half Moon Camp" near Berlin, where Muslim prisoners of war were kept in good conditions to encourage them to fight against Britain, France and Russia. In April 1917, he accompanied a transport of Muslim volunteers to fight in the army of the Ottoman Empire, which was allied with Germany. The diary also contains numerous observations and sketches on architecture. A supplement to the diary is the photo album with photographs partly taken by Stiehl himself. - Some waterstaining to cardboards of photo album; some silvering to part of photographs.