Horae B. M. V. Stundenbuch, Nordfrankreich, um 1470



Auktionsablauf:
Horae B. M. V. Lateinisches Stundenbuch für den Gebrauch von Rom. Handschrift auf Pergament. Nordfrankreich (Angers?) oder Paris, um 1470. Blattgr. 11,8:8,3 cm, Schriftspiegel 6:4,5 cm. 15 (Kalendar 17) Zeilen. Mit brauner und braunschwarzer Tinte in Bastarda (2 Schriftgrade) geschrieben, blassrot regliert. Zahlreiche Initialen und Lombarden in Blau u. Rot, wenige Hervorhebungen in Blau u. Rot. Mit 4 Miniaturen in Gold und Farben in breiten floralen Bordüren mit einigen Drolerien sowie 8 dreizeiligen Initialen in Blau und Mauve mit weißem Federwerk auf Goldgrund mit dreiseitigen Bordüren in Gold und Farben. 152 Bll. (die ersten u. letzten 3 leer und regliert). Goldbrauner Maroquinband um 1800 mit etwas Rückenvergoldung, Deckelfileten, Innenkantenvergoldung und altem Goldschnitt; Kanten berieben, Rücken gering bestoßen. In Lwd.-Schuber d. 20. Jh. mit goldgepr. Monogramm.
Stundenbuch in ungewöhnlicher Aufteilung. Mit 4 sehr qualitätvollen Miniaturen in prächtigen Bordüren mit phantasievollen Drolerien, die in der Vergangenheit der Schule des Jean Fouquet zugeschrieben wurden. Einzelne der im Kalendar hervorgehobenen Einträge: Julianus von Le Mans "Juliani epi(scopus) cenom(anus)" (27. Jan.), Übertragung der Gebeine des hl. Nikolaus (9. Mai), Laurentius von Rom (1. Aug.), Marsilius von Angers (13. Sept.) könnten auf eine Verwendung im Nordwesten Frankreichs deuten. Das Stundenbuch ist nahezu durchgängig mit Bleistift neuzeitlich foliiert,dabei jedoch irrig ein zum Vorsatz gehörendes Pergamentblatt zu Beginn mitgezählt (in der Kollation oben nicht gezählt). In den nachfolgenden Benennungen folgen wir dieser vorhandenen Foliierung.
Buchschmuck: Die hervorragenden Miniaturen ca. 5,9:4,3 cm in schmalen, oben abgerundeten goldenen Einfassungen. Vorherrschende Gewandfarbe ist ein leuchtendes Blau, die Bordüren der Gewänder, die dargestellten Strahlen, die Akzentuierungen der Frisuren und Gewandfalten in feinsten Linien mit Goldfarbe aufgetragen. Neuere Zuweisungen deuten auf den Umkreis oder die Werkstatt des Maître François oder des Maître de Jouvenel des Ursins hin. Dargestellt sind: Verkündigung an Maria in einem Raum mit spitzbogiger Architektur (zum Beginn der Matutin, fol. 17r); König David betend (zum Beginn der Bußpsalmen, 61r); Totengeleit mit Mönchen in grauem Habit und Trauernden, darunter zentral in blauem Gewand vermutlich der Eigner des Stundenbuchs (zu Psalm 116 des Totenoffiziums, 78r); Pietà, im Hintergrund der Kalvarienberg, am Horizont eine Stadt (zum gereimten Mariengebet "Ave mundi spes Maria", 115r). Von den vielfarbigen Bordüren der Miniaturen mit Akanthusblättern, Blüten und goldenen Samenkapseln sind 3 mit phantasievollen Drolerien ausgestattet: Affen, einer ein Kamel reitend, Drache, verschiedene Fabelwesen, Igel, Narr, weiblicher und männlicher Kentaur. Diese Blätter, wie auch die zugehörigen gegenständigen Blätter, auf dünnerem Pergament, die Schrift und die eingemalten Lombarden und Hervorhebungen auf diesen Blättern in Farbe und Duktus geringfügig abweichend. Offenbar wurden die Blätter mit den Miniaturen in der Werkstatt separat illuminiert und dem Hauptteil der Handschrift beigefügt.
Text: Kalendar (fol. 5r-16v); Stundenbuch: Matutin (beginnend mit "Domine, labia mea aperies..."; 17r), Laudes (26v), Prim (36r), Sext (40v), Non (46r), Vesper (49r), Komplet (51r), Auszug aus dem Johannesevangelium (55v), Obsecro te (57r), Bußpsalmen (61r), Litanei (71v), Totenoffizium (78r), Mariengebete (darin 2 in Versform; 115r-150r). Perikopen und Terz sind hier offenbar entfallen.
Zustand: Stellenweise schwach fingerfleckig, vereinzelte kleine Flecken, die leeren Bll. zu Beginn und am Schluss gebräunt u. fleckig, das erste Bl. recto u. das letzte verso angeschmutzt. Die Miniaturen mit wenigen unbedeutenden Bereibungen und vereinzelten minimalen Farbabplatzungen. Insgesamt wohlerhalten und breitrandig.
Provenienz: Die ersten beiden der leeren Blätter mit kalligraphischem Namenszug eines Jaques Bille, der auf dem 2. Blatt recto eine eine längere Anmerkung eintrug, wohl an einen Finder, falls das Stundenbuch verloren gehen sollte: "Ces p(rese)ntes heures sont a iaques bille qui les trouvera si les luy Rende et il paiera voluntriers le VIII le jour de la sainct martin. Tesmoion (?) son seign manuel cy mis le huytiesme jour de Avril L'an mil cinqcens et seze". Der angegebene Tag und das spezifische Jahr in diesem Eintrag in anderer Tinte von zeitnaher (derselben?) Hand eingetragen. Eine vormals dort befindliche Datierung durch Rasur gelöscht. Möglicherweise befand sich das Stundenbuch bereits deutlich vor 1516 im Besitz der Familie Bille. Auf der leeren Versoseite des abschließenden Textblatts und auf den 3 folgenden leeren Blättern am Schluss vermerkt J. Bille seine Hochzeit (8.4.1516) und die Geburten seiner Kinder in den Jahren 1520 bis 1549, darunter "Nycolas Bille" (1534), Pierre Bille (1537), Claude Bille (1538), Jaques Bille (1541). - Auf dem 3. freien Blatt zu Beginn ein weiterer Besitzvermerk: "Tussanus Philippus, Adeline Presbyter, anno 1763." - Sothebys, Auktion 25. Feb. 1946 (dat.: um 1450). - Maggs Bros., Kat. 768 (1947), Nr. 7. - Maggs Bros., Kat. 802 (1951), Nr. 14. - Europäischer Privatbesitz.
An attractive manuscript Book of Hours from Nothern France or Paris, with good decoration and 4 exceptionally fine miniatures. "There is a miniature at the beginning of the four chief divisions of the book and not one before each of the Hours as is more usual; none apparently are missing. The subjects are: The Annunciation, David in Prayer, a Burial Procession, the Virgin supporting the body of Christ on her knee. These little miniatures are the work of a very competent artist with an individual style. His figure drawing is excellent and there is evident appreciation of anatomical detail. The treatment of the folds and creases in the costumes and drapery is very studied, in the manner of Jean Fouquet and his school" (Maggs Bros., Cat. 802 (1951), no. 14). More recent attributions point to the circle or workshop of Maître François or Maître de Jouvenel des Ursins. Ownership inscription and extensive entries on the births of his children by a certain Jaques Bille, dated April 8, 1516 on the first and last 3 blank leaves. The date re-written on a cancelled entry. - Faint thumbing, little staining in places. First and last blank leaves somewhat browned, the first an the final soiled. The miniatures with a few insignificant rubbings and isolated minimal colour flaking. Honey-coloured morocco binding from around 1800, spine, fillets, inner dentelles and edges gilt; extremities rubbed, spine slightly bumped. In 20th century cloth slipcase with gilt-stamped monogram.
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